Dass die Theorien, die dem zugrunde liegen, was man unter dem Namen Neoliberalismus zusammenfasst, intellektuell recht flachatmig daherkommen, ist inzwischen auch über den engen Kreis der damit befassten Ökonomen bekannt. Selbst der IWF und die OECD sind inzwischen einsichtig, Frau Merkel und Herr Schäuble freilich nicht. Sie werden schlecht beraten.
Dass diese Unausgereiftheiten in den Modellen der Herren von Mises, von Hayek und Friedman bei genauerem Lesen nicht nur das eigene Theoriegebäude, sondern ganz real Staaten und Systeme zum Einsturz bringen, weil man politischerseits so blöd war, den ganzen Schwachsinn der noblen Herren auf die ökonomische Realität anzuwenden und gegen jede Vernunft und jede Evidenz auch weiterhin anwendet, weiß auch jeder. Das kann man jeden Tag in der Zeitung nachlesen.
Dass sich niemand traut, den Finanzmarkt nun doch zu regulieren, die Bänkerboni wieder steigen und sich im Grunde seit der Erschütterung von 2008 nichts geändert hat, ist jedem offensichtlich. Es geht alles weiter wie bisher und die „Markt vor Staat“-Gesänge werden nach nur kurzem Decrescendo wieder lauter.
Aus diesem Grund lag Colin Crouchs Buch „Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus“ recht lange ungelesen auf meinem Schreibtisch. Warum, so fragte ich mich, sollte ich etwas lesen, was ohnehin offensichtlich ist. Ich griff dann schließlich doch zu und versank zwei Tage in der Lektüre.
Das Buch ging dann entgegen meiner Erwartung weit über eine bloße Analyse des Istzustandes hinaus. Crouch räumt zudem mit dem Vorurteil auf, es drehe sich um die bloße Opposition von Markt und Staat, denn ganz offensichtlich dient die herrschende Ideologie des Neoliberalismus vor allem den großen Konzernen und führt zu einer immer weitergehenden Monopolisierung und wirkt in der Struktur Vielfalt und Innovation entgegen. Immer häufiger stehen sich transnationale Konzerne und Staaten gegenüber, verflechten sich ineinander, wo ihre oder die Interessen ihrer Protagonisten deckungsgleich sind. In diesem postdemokratischen System bleibt letztlich nur noch das Engagement der Zivilgesellschaft als Korrektiv, da der Staat hier künftig weithin ausfällt. Ein wahrhaft düsterer Ausblick. Ich hab’s gelesen, das Buch ist gut, die entworfene Aussicht schrecklich.
Danke für diesen tollen Buchtipp. Ist so gut wie gekauft.
Kann es sein, daß Adam Curtis etwas weiter ausholt, parallel daneben herläuft, sich geopolitisch umschaut und am Ende sein 2015er Doku-Film »Bitter Lake« rauskam?