Ich war beim Thema Emotionen angelangt und wollte in diesem Zusammenhang etwas extrem Geschwätziges über das Verhältnis von Vernunft und Gefühl, von Apoll und Dionysos, von Zentriertheit und Ekstase schreiben. So volles Rohr, mit Nietzsche und so.
Das mache ich jedoch erst mal nicht, denn mir kam ein anderes Thema dazwischen. Das bedeutet nicht, die griechische Götterwelt wäre aufsatzmäßig gegessen. Die Thematik ist lediglich aufgeschoben und man wird sich demnächst mal durch bedeutungsschwangere Bildungswichse quälen dürfen. Ich stehe manchmal auf sowas.
Das dazwischen gekommene Thema ist Schrift und ihr Verhältnis zum Phonem. Das ist auch spannend, denn es geht immer noch das Gerücht um, Schrift wäre so etwas, wie gesprochene Sprache zum Stillstand gebracht, ihre Lautung in Zeichen gefasst. Das erweist sich nach kurzem Nachdenken als grober Unfug.
Der Grund für den Themenwechsel liegt darin begründet, dass ich vor einem Moment schmunzeln musste, denn ich hatte plötzlich das Gefühl, sehr subtil und charmant in meiner Aussprache korrigiert worden zu sein. So subtil, dass es schwer zu beweisen wäre, ob es tatsächlich passierte. Meine Aussprache aber hatte ich aus einem niedergeschriebenen Namen abgeleitet. Natürlich musste ich da scheitern.
Sowohl die Feinfühligkeit als die Natürlichkeit meines Scheiterns amüsieren mich. Ich war in meiner Karriere als Dozent für Deutsch als Fremdsprache weniger feinfühlig, auch wenn ich nicht zu manch brachial-bizarrem Mittel einiger meiner Kollegen gegriffen habe, die unter anderem gerne mal ihren Schülern den Finger in den Mund schoben, um beispielsweise die korrekte Aussprache des Ü zu demonstrieren. Es gibt da didaktisch bessere Verfahren. Außerdem ist es meist schnurzpiepegal ob alles frei von Akzent und korrekt ausgesprochen wird, viel wichtiger fand ich immer das Verstehen selbst. Ob da aus einem tollen Gefühl im nachträglich darüber Sprechen eine tolle Gefuhl wurde, ist doch unerheblich, Hauptsache, es hat Spaß gemacht.
Was auf jeden Fall nicht geht, ist, aus einer Zeichenfolge auf die Lautung zu schließen, zumindest dann nicht, wenn man in den Zeichen nicht zu Hause ist, es sich dabei um einen fremde Sprache handelt. In Europa kommt etwas erschwerend hinzu, dass die meisten Sprachen weitgehend die gleichen Buchstaben verwenden, die den Buchstaben zugeordneten Phoneme sich aber erheblich unterscheiden können. Diesen Unterschied in der Lautung sieht man den Buchstaben und Buchstabenabfolgen allerdings nicht an. Um zu wissen, wie man die Buchstabenfolge „sch“ ausspricht, muss man wissen, in welcher Sprache man sich befindet und diese auch beherrschen.
Man könnte nun argumentieren, die Einführung einer phonetischen Schrift, würde dem Abhilfe schaffen, Aber auch hier bleibt das Problem bestehen, dass man erst wissen muss, welche Lautung ein Zeichen kodiert, um es dann sprechen zu können.
Eigentlich irgendwie cool. Man kann damit ganz toll rumspielen. Jacques Derrida spielt hier ein bisschen mit den Lautungen zu L’amour und La mort. Sehr humorvoll, zumal seine Intervieuse einen horrormäßigen Akzent hat. Zur Liebe hat er nichts zu sagen. Schade eigentlich, es hätte mich interessiert.
Angesichts der charmant erfolgten subtilen Korrektur nehme ich mir dennoch vor, künftig etwas mehr auf meine Aussprache zu achten und auch mal ein V so etwas ähnliches wie ein B sein zu lassen.