Die Bierflaschen schlugen aneinander. “Prost Jungs!”
“Prost!”, kam es vierfach zurück. Wir gingen zum geselligen Teil des Abends über. Dietmar warf ein Thema in die Runde. Es ging um durch Betrug angeeignete Doktortitel. Es ging um das Widerliche der politischen Elite, das Schleimige der Politik. Es ging um den Begriff “Elite”.
Wir konnten uns schnell auf einen historischen Befund einigen. Noch nie in der Geschichte der Menschheit war es möglich gewesen, bei nachweislich völliger Ahnungslosigkeit und Unwissenheit auf einem Gebiet dennoch der Elite zugerechnet zu werden. Medienweit. Das war neu, das war Postdemokratie, das war Dekadenz, Verfall und Krankheit des Systems. Das war Widerlich! Wir hatten alle Beispiele parat. Einen Ökonomieprofessor beispielsweise, der Import und Export verwechselte und den Blättern dennoch als Genius seines Faches galt. Einen Bundesbanker, der lieber Menschen hungern ließ als von seiner Lehrmeinung abzuweichen, die sich als angesichts der Realität als schlichtweg falsch erwiesen hatte. Minister, die ideologisch blind geworden waren und versuchten, wortreich Märkte zu beruhigen, statt ihnen per Gesetz Grenzen zu setzten. Uns widerte der Selbstbedienungsladen “Politik” an, die Mentalität des Machterhalts. Wir waren uns so einig, wie wir gegenüber der diagnostizierten Verkommenheit machtlos waren.
Wir kamen zum zweiten Bier und wurden ruhiger. Der Hopfen entfaltete seine Wirkung. Wir saßen, dachten, suchten nach Anknüpfungspunkten und Fortsetzungen. Ich fühlte die Gedanken strömen, aber keiner schien mir wert, ausgesprochen zu werden. Den anderen schien es ähnlich zu gehen. Wir saßen, nippten am Bier und betrachteten unseren Geist.
Es war Markus, der die Stille durchbrach.
“Wie war eigentlich euer Ausflug nach Teneriffa?”, wollte er wissen.
“Das war so mit das Schrägste, was ich bisher erlebt habe.”
“Wurdest Du als alter Atheist dazu gezwungen zu beten?”, versuchte sich Dietmar an einem Witz.
“Das ist weniger komisch, als du denkst. Es wäre fast dazu gekommen.”
Damit war die Aufmerksamkeit bei mir. Wir ließen das Thema Politik hinter uns. Ich sollte von meiner Reise erzählen, meinem Kurzurlaub mit Sebastian. Die Neugier war geweckt.
Sebastian und ich hatten eigentlich schon im Vorfeld keine Lust auf die Hochzeit. Im Gegenteil fühlte Sebastian lediglich eine Pflicht aber keine Neigung an der Feier teilzunehmen. Wir hatten zahlreiche Befürchtungen, was alles passieren konnte, und unsere Befürchtungen malten wir uns immer bunter aus, bis sie sich ins Skurrile brachen und so wieder heiter wurden. Schon die Auswahl des Ortes war für mich unverständlich.
Ich fragte Sebastian, warum sein Freund Andrew ausgerechnet auf Teneriffa heiraten wollte. Sebastian antworte eloquent und weitschweifig. Weitschweifigkeit liebte er insbesondere dann, wenn er keine Antwort wusste. Das war auch hier der Fall. Es war merkwürdig warum Andrew, der in Kalifornien wohnte, ausgerechnet auf den Kanarischen Inseln heiraten wollte. Wir hatten es dabei noch gut getroffen, denn unsere Flugzeit zum Ort der Festlichkeit betrug etwa vier Stunden, die der anderen geladenen Gäste betrug geschätzt das dreifache. Viele mussten aus Kalifornien, einige aus dem Staat New York und ein kleiner Teil aus anderen Bundesstaaten der USA anreisen, mit Zwischenstops, Verspätungen, Jetlag und allen sonstigen Unannehmlichkeiten, die eine zeitgemäße Interkontinentalreise so zu bieten hat. Unsere Anreise war im Vergleich zu derartigen Strapazen ein Kinderspiel, einfach und schlicht. S-Bahn, Flugzeug, Taxi, da.