Rolf war nun völlig frei. Frei von allen Verpflichtungen und von allen gesellschaftlichen Zwängen, aber nicht frei zu etwas, denn seine Mittel waren sehr beschränkt. Grundsicherung heißt diese Beschränkung. Sie legt fest, wie viel Freiheit zu etwas einem zusteht, der nicht mehr dazu gehört, da sie festlegt, wie viel Geld für welche Produktgruppen und Dienstleistungen monatlich ausgegeben werden darf: Gaststättendienstleistungen 7,57 € im Monat, Bildung 1,46 € im Monat.
Rolf besuchte auf Vorschlag seiner aktuell zuständigen Sozialarbeiterin für einige Zeit eine Tagesstätte für chronisch psychisch Kranke. Sie fand das sei eine tolle Idee, Rolf nicht. Er ging schließlich trotzdem hin. Nicht, weil er dann doch Neigung dazu verspürte, sondern weil es sich rechnete. In seinem Regelsatz waren monatlich 135,61 € für Nahrungsmittel und Getränke vorgesehen, Allerdings nur für Getränke ohne Alkohol. In der Tagessätte fiel pro Anwesenheitstag eine Eigentbeteiligung von 2,– € an. Dafür wurde den Besuchern ein Frühstück und ein Mittagessen geboten.
Wenn er, so war seine Überlegung, an fünf Tagen in der Woche die Tagesstätte aufsuchte und dort beide Mahlzeiten zu sich nahm, abends aber aufs Essen verzichtete, käme er von Montag bis Freitag mit 10,– € hin, er müsste sich mittags einfach nur richtig satt essen. Wären rund 40,– € im Monat. Dann blieben von den 135,61 noch 95,61 übrig, von denen die Wochenenden zu bestreiten wären. Wenn er sich also regelmäßig in der Tagesstätte verpflegen lassen würde, das war seine Planung, dann hätte er etwas Geld übrig, welches er auch mal für ein alkhoholhaltiges Getränk in Verbindung mit einer Gaststättendienstleistung ausgeben könnte. Wenn er wirklich eisern wäre, könnte er sogar einen Spanisch-Kurs an der Volkshochschule belegen.
Zudem gehörte zur Tagesstätte ein Atelier, in dem neben Materialien und Werkzeug auch eine Kunsttherapeutin mit ihrem Wissen und ihren Fertigkeiten zur Verfügung stand, um den Besuchern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, ihnen zu ermöglichen, sich psychisch zu stabilisieren, sich auszuprobieren, Techniken zu erlernen und das Erlernte zu verfeinern. Rolf hatte einen Hang zum Malen und Zeichnen, weshalb er sich vornahm, die Wartezeiten zwischen den Mahlzeiten sinnvoll mit künstlerischer Betätigung zu füllen.