Kunst und Wahnsinn. Oder: Der Zwang, alles zu Geld machen zu müssen.

Eigentlich wollte ich nicht mehr über Kunst schreiben. Eigentlich, so dachte ich, hätte ich meinen Frieden gemacht. Eigentlich ist das völlig irrelevant, was da auf irgendwelchen Kunstmärkten passiert. Das dient vielleicht der Geldwäsche, dem Profitstreben und der Gier, der Kunst freilich dient es nicht, was dieser aber völlig schnurz ist, weshalb es mir auch schnurz sein kann. Eine kommende Kunstgeschichtsschreibung wird die Verbindung von Markt und Kunst historisch einzuordnen und die Werke dieser Epoche einer entsprechenden Neubewertung zu unterziehen wissen. Viel übrig wird dann vermutlich nicht bleiben von dem, was heute als hipp und angesagt gilt, dafür werden andere Dinge plötzlich in ihrer Werthaftigkeit erkannt werden. Dem Kunstbegriff selbst wird dies alles keinen Schaden zufügen, denn er ist metaphysisch. Wenn es dem Begriff keinen Schaden zufügt, warum sollte ich mich dann über vermutliche Fehlleitungen in der Zeitgenössischen Kunst aufregen? Eben. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, die Protagonisten, die auf diesem Markt der Kunst ihre bunten Tänze aufführen, manchmal mit Erstaunen, manchmal mit Verwunderung aber immer mit großer Gelassenheit und Amüsement bei ihren Verrenkungen zu betrachten, ansonsten aber den Ereignissen den Status beizumessen, den sie tatsächlich haben: Völlig unbedeutend.
Es kam dann doch anders. Denn so ein Markt, der begierig seine Finger nach Wertsteigerung ausstreckt, bleibt natürlich nicht auf diejenigen beschränkt, die bereit sind, dieses Spiel mitzumachen. Er versucht auch diejenigen in seine Wirkmacht einzubeziehen, die er an anderer Stelle ausgespuckt hat, die Minderbegabten und Wahnsinnigen zum Beispiel. Der Begriff hierfür ist art brut. Bei art brut handelt es sich um die Erzeugnisse von Menschen mit starken Einschränkungen und schweren Störungen. Die Erzeugnisse sind einer der wenigen Kanäle dieser Menschen zur Außenwelt und sie erzählen vielfach von Angst, Zwang, Besessenheit und tiefer Verzweiflung. Mit der Zurschaustellung dieser Erzeugnisse kann man einerseits das voyeuristische Verlangen der Zeitgenossen befriedigen, kann andererseits unglaublich viel Geld verdienen, wenn man weiß, wie man an dem entsprechenden Markt rumfummeln und ihn manipulieren kann, und sich obendrein noch den Titel des mitfühlenden Helfers und Wohltäters ankleben. Extrem geschmacklos.
Wenn Menschen, die mehr oder weniger im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind, meinen, sich den Regeln des Kunstmarktes unterwerfen zu müssen, sei es als Künstler, Händler, Investor, Sammler oder sonstwie, dann ist das deren Sache. Sollen sie den Irrsinn mitmachen. Aber die Regeln des irrsinnigsten aller Märkte jenen aufzuzwingen, die vorher wegen ihrer geringen Leistungsfähigkeit, ihrer Sonderheit, ihrer Störung aussortiert worden waren, die in Heimen, betreuten Wohnformen und geschützten Bereichen leben, ist verfehlt. Im Sinne der Integration und Inklusion können Werke natürlich ausgestellt werden. Kuratiert von Menschen, die eben nicht die voyeuristische Lust befriedigen, sondern informieren wollen. Aber verkaufen? Niemals!
Damit dieser Schutz funktioniert, benötigt man eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Institute und Einrichtungen. Damit diese nicht wieder den Mechanismen der Märkte ausgesetzt werden, sind diese über Steuern zu finanzieren. Somit befreit man sie von der Bittstellerei, vor allem aber befreit man sie so von der Scheinheiligkeit des Kunstmarktes.

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