Die Betriebsversammlung 5

Angefangen hatte es vor einigen Monaten im Frühling, an einem der ersten schönen Tage des Jahres. Ein Tag, der Lust macht, nach draußen zu gehen, in der Sonne zu sitzen, ein Tag, der von der Leichtigkeit des Lebens erzählt, ein Tag an dem man nicht in einem Büro vor zwei Monitoren sitzen möchte, an so einem Tag hatten sich spontan sieben Mitarbeiter der SCHOW GmbH am Nachmittag zu einem gemeinsamen Feierabendbier verabredet. Der Abend begann unterhaltsam, die Absonderlichkeiten der nicht anwesenden Kollegen wurden durchgesprochen, es wurde sich lustig gemacht über exzentrische Kunden und es wurden Gerüchte in die Welt gesetzt.
Doch je weiter der Abend fortschritt, desto enger wurde der thematische Fokus, bis schließlich ein einziges Thema die gesamte Unterhaltung dominierte. Das Thema war Roland Schmidt und die Arbeitsbedingungen in der Firma. Wie sich herausstellte, fühlten sich alle in der Runde von ihrem Arbeitgeber betrogen, hintergangen, verarscht und ausgenutzt.
Von den sieben Kollegen konnten drei berichten, dass sie unmittelbar nach ihrer Einstellung wieder gekündigt worden waren. Wie sich herausstellte, war es bei allen das Gleiche Schema gewesen. Zwei Tage nach Arbeitsaufnahme waren sie in die Personalstelle gebeten worden, wo ihnen mitgeteilt worden war, man könne sich eine weitere Zusammenarbeit nicht vorstellen. Auf die Frage nach dem Warum, wurde allen dreien von Sabine Müller mitgeteilt, das wisse sie auch nicht. Es sei eben in der Werbebranche so, ein Kommen und Gehen. Falls Interesse bestünde, den Grund zu erfahren, wäre am Folgetag Wolfram Tietz telefonisch zu sprechen, der könne dann eventuell Auskunft geben.
Alle drei saßen am Tisch und konnten nicht glauben, wie identisch ihre Geschichte war.
„Und dann hast du am nächsten Tag angerufen und der Tietz hat dir gesagt, er könne unter Umständen was für dich tun, man müsse nur noch mal über die Konditionen reden. War das bei dir auch so?“
„Genauso war es, und dann wurden die Konditionen, die so gut erschienen waren, plötzlich ziemlich schlecht, stimmt’s?“
„Die haben mit uns dreien genau das gleiche gemacht. Ich hatte meine alte Stelle gekündigt, weil ich dachte, die Bedingungen und vor allem die Bezahlung sei bei SCHOW so viel besser. Letztlich habe ich dann eingewilligt, für weniger Geld mehr zu arbeiten. Sonst hätte ich überhaupt nichts gehabt.“
Die beiden anderen lachten mit kaum verdeckter Bitterkeit. „Das war bei mir genauso! Ich hätte ja nicht mal zum Arbeitsamt gehen können. Meine alte Stelle hatte ich selbst gekündigt.“
Es war allen sieben Kollegen unmittelbar klar, wer für diese perfide Praktik verantwortlich war.
„Der Schmidt ist echt der letzte Dreck!“
Der Abend endete mit der Idee, sich regelmäßig treffen zu wollen. Es sei nett gewesen und er Austausch hätte auch etwas Heilsames.
„Man fühlt sich nicht wie die letzte Vollidiotin, wenn man weiß, dass es anderen auch so ergangen ist“, meinte Caroline Gottschalk, die eine von den dreien war, die jetzt zu deutlich schlechteren Bedingungen arbeitete als von ihr ursprünglich erwartet. „Lasst uns nächste Woche nach der Arbeit wieder was trinken gehen.“

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