Der NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen lässt uns wissen, dass Russland in der Ukraine natürlich die Hände im Spiel hat und versucht, die Ukraine zu destabilisieren. Natürlich! Natürlich kann er nicht sagen, woher er dieses Wissen hat, denn die Quellen sind geheim. Auch das ist ganz natürlich! Wir sollen ihm trauen. Natürlich!
Da ich kein bezahltes Mietmaul der Mainstreampresse bin, mache ich das natürlich nicht. Ich tue nicht mal so. Nein, ich misstraue ihm zutiefst. Hätte die NATO auch nur den Zipfel eines Beweises, würde uns der von den Medien im Minutentakt um die Ohren gehauen und in die Augen gerieben. Tagesschau, heute, n24 und der ganze Rest der sich gleichschaltenden Medien würden unerbittlich die Kamera drauf halten, mal auf Details, mal in der Totalen, immer aber unerbittlich, so lange, bis auch der Letzte die Bildsprache versteht und weiß, “Der Russe ist böse! Der will Krieg!” Die Transatlantiker in den Schreibstuben des deutschen Blätterwaldes würden sich die Finger wund schreiben und die Beweise drehen, wenden und von allen Seiten beleuchten, bis es auch dem letzten Leser klar wird: “Der Russe, das ist ein ganz Gemeiner. Der kämpft mit unlauteren Mitteln. Dem muss man zeigen, wo der Hammer hängt!”
Da im deutschen Qualitätsjournalismus nichts dergleichen passiert, kann man davon ausgehen: Da ist nichts. Nicht der Hauch eines Indiz. Dumme Propaganda eines NATO-Generalsekretärs.
Und um ein bisschen bei den Nachrichten zu bleiben: Wenn Obama von Putin fordert, er solle mäßigend auf die pro-russischen Kräfte einwirken, dann wäre das wahrscheinlich nur drei Nachrichtensekunden später die Einmischung seitens Russlands, die dann zur nächsten Stufe der Eskalation durch den Westen berechtigt.
Wenn die von der Leyen mütterlich besorgt in die Kamera lächelt und von Russland ein Zeichen der Deeskalation fordert, dann frage ich mich, wie sollen die deeskalieren? Die sind doch gar nicht da. Die machen doch gar nichts, außer zu sagen, dass sie nicht da sind und dass sie sich nichts machen. Würden sie etwas machen, uns würden die Beweise für dieses Tun medial ganz tief ins Hirn gebrannt.
Dafür hat der Westen um so mehr gemacht. Mit 5 Milliarden Dollar die Ukraine destabilisiert und als es so weit war, sind die Minister und Staatssekretäre auf dem Maidan auf und ab marschiert, haben gönnerhaft Brötchen verteilt und sich in der Pose des Mäzens für die Presse ablichten lassen. Widerlich war das. Statt jetzt, einige chaotische Wochen später, den Schaden zu begrenzen, einfach einzugestehen: “man, was haben wir da für eine Scheiße gebaut”, machen die einfach weiter, richten noch größeren Schaden an. Man fasst sich an den Kopf und versteht es nicht. Und dann bleibt hinter all dem Unverständnis nur eine Erklärung übrig: Die wollen wirklich Krieg?! Das gibt es doch gar nicht! Doch! Die wollen wirklich Krieg.
Jeder, der sich informiert, misstraut den Vertretern dieser Hemisphäre mit jedem Tat ein bisschen mehr. Lüge und Unwahrheit wurden bei uns zu vermeintlichen politischen und journalistischen Tugenden. Verstrickt haben wir uns in unauflösliche Widersprüche. Der Westen steht für Demokratie, praktiziert das aber immer weniger und nur dann, wenn das Ergebnis absehbar genehm ist. Er steht für Freiheit, überwacht aber alle Bürger auf Schritt und Tritt. Steht für Rechtsstaat, aber betreibt Gefängnisse außerhalb der Rechtsstaatlichkeit, foltert und tötet.
Der Westen ist moralisch am Ende. Man sieht es den Gesichtern sogar an, wenn man genau hinguckt. Wenn Rasmussen in die Kamera lügt, sieht man ihm an, dass er weiß, dass er am Ende ist. Wenn die von der Leyen in die Kamera lächelt, sieht man ihr an, dass sie gar nicht mehr erwartet, dass ihr jemand glaubt. Diese Protagonisten unserer Hemisphäre sind sich selbst überdrüssig. Sie glauben gar nicht mehr an die Institutionen, für die sie stehen, glauben gar nicht mehr an die Werte, die sie laut Amt zu vertreten haben.
Politik und Journalismus sind zu einem Spiel verkommen, in dem sich die Teilnehmer gegenseitig freundlich die Stichworte liefern, die sie brauchen, um das Spiel fortsetzen zu können. Doch jetzt soll für dieses absurde Spiel Blut fließen. Das können wir nicht zulassen. Zu lange haben wir auf die Absurdität unserer Zeit geschaut, jetzt ist es an der Zeit, dagegen etwas zu tun.