Die Geschichte, die ich zu erzählen habe, spielt in der Arbeitswelt. Es sind Büros, in denen sich alles ereignet, funktional eingerichtete Büros in einem funktionalen Komplex in einem ganz funktionalen Teil einer deutschen Großstadt. In jedem Büro sitzen vier Personen vor jeweils zwei Monitoren, die Büros sind rundherum verglast und daher einsehbar. In jedem Büro stehen fünf Pflanzen. Eine große, zwei mittelgroße und drei kleine. In den Büros werden Webseiten gestaltet und Online-Werbung geschaltet. Es ist ein modernes Unternehmen, ganz zeitgemäß, ohne Berührungsängste. Hier werden Autohäuser genauso bedient wie Bordelle. Schuh- und Buchhändler werden von den rund fünfzig Mitarbeitern und geschätzt dreißig Praktikanten ebenso mit der Aufmerksamkeit des Internets versorgt wie FKK-und Swingerclubs.
Und genauso kurz wie die Aufmerksamkeitsspanne im Internet war vielfach die Aufenthaltsdauer der einzelnen Mitarbeiter im Unternehmen. Dem Eigentümer der Agentur Roland Schmidt war es wichtig, seine Angestellten Druck und einem hohen Maß an Unsicherheit auszusetzen. Es würde sie motiviert halten und die Leistung fördern, war seine Meinung. Die Angestellten sahen das vielfach anders.
An dem Tag, an dem diese Geschichte ihren Anfang nimmt, hing an der gläsernen Eingangstür der auf Onlinewerbung spezialisierten Agentur ein Schreiben:
Gründung eines Betriebsrates für den Betrieb
SCHOW – Schmidt – Online – Werbung GmbH
Einladung zur Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes
Angegeben waren noch Zeitpunkt und Ort der Versammlung, eine Tagesordnung und der Aushang war von drei Mitarbeitern der Agentur unterschrieben. Die Träger der drei Namen werden in den nächsten Tagen die Gelegenheit haben, in Abgründe zu schauen. Von ihnen handelt diese Erzählung, die jetzt beginnt.