Die Nachrichtenlage im Hinblick auf den Bürgerkrieg in der Ukraine ist unübersichtlich. Allein das eben benutzte Wort Bürgerkrieg ist in der Berichterstattung schon umstritten, obwohl die Gewalt die dort herrscht, die Verwendung des Begriffes mehr als rechtfertigt.
Angelagert an die Ukrainekrise ist eine Konfrontation der EU und der USA mit Russland. Russland wird mit Sanktionen überzogen, da es für den westlichen Geschmack seinen vermeintlichen Einfluss auf vermeintlich nahe stehende Konfliktparteien nicht genug geltend macht, darüber hinaus angeblich Waffen liefert.
Die Beweislage dafür ist mehr als dünn, die Argumentation mehr als heuchlerisch. Es ist, als würde Deutschland mit Sanktionen überzogen, weil es an Israel Waffen liefert, mit denen dieses Land Kriege, oder ‘Konflikte’ austrägt, um in der Sprache der Tagesschau zu bleiben. Für die deutsche Beteiligung daran gäbe im Gegensatz zu den vermeintlichen Waffenlieferung Russlands wenigstens eindeutige Beweise.
Dessen ungeachtet schlägt die Sanktionspolitik der USA und der EU jeden Tag immer neue Kapriolen, die allerdings mehr realsatirische Züge trägt, denn Züge einer weit- und umsichtigen Geopolitik.
Es geht, so wird immer wieder unterstellt, bei dem Ukrainekonflikt und der Auseinandersetzung des Westens mit Russland um Demokratie, Menschenrechte und westliche Werte gegen Totalitarismus russischer Prägung, Gängelei durch Putin und einen neuen russischen Nationalismus. Folgt man diesem Argumentationsstrang, so verheddern sich die Protagonisten einer solchen Sichtweise jedoch schon im zweiten Satz. Zu groß sind die Widersprüche der jüngeren Geschichte, wo man Referenden zur Autonomie hier befürwortet, dort aber abgelehnt hat, Abstimmungen in der EU wiederholen lässt, bis das Ergebnis stimmt, Verträge mit weitreichenden Konsequenzen für die Demokratie im Geheimen verhandelt und Menschen unter die Knute der Austerität zwingt.
Man kann natürlich die Rede vom ‘System Putin’ nachplappern und dabei sorgenvoll die Augenbraue nach oben ziehen, was dann aber von einer ziemlich großen Ahnungslosigkeit im Hinblick auf die Entwicklung in Russland der vergangenen zwanzig Jahre kündet. Russland hat die Demokratie aller Wahrscheinlichkeit vor sich, der Westen hat sie mit ziemlicher Sicherheit hinter sich.
Zu heftig sind hierzulande die Attacken, die auf die demokratischen Institutionen, auf die sozialen Errungenschaften, auf den allgemeinem Wohlstand und auf das bisschen Verteilungsgerechtigkeit von den politischen Akteuren zugunsten von Konzernen und Finanzindustrie geführt werden. Das überstehen die Werte unserer Wertegemeinschaft nicht unbeschadet. Die Geheimverhandlungen zu TTIP, CETA und TISA, die Totalüberwachung durch Geheimdienste, die Krisenpolitik in der EU, die zwar den Banken, nicht aber den Europäern dient, seien hier nur stellvertretend erwähnt. Wenn der Westen Demokratie und Menschenrechte fordert, meint er immer nur die anderen, nie sich selbst. Nie die Geheimgefängnisse, nie Folter, Guantanamo und Drohnenkrieg und nie die Angriffe auf die Pressefreiheit, wie sie der Guardian und zuletzt auch das zdf, paradoxerweise von einem dem transatlantischen Bündnis verpflichteten Journalisten über sich ergehen lassen mussten.
Vor diesem Hintergrund lässt sich aber auch genauer fassen, um was es in der Auseinandersetzung um die Ukraine und mit Russland tatsächlich geht. Russland hat, wie vermutlich die restlichen 88 Prozent der Welt, die nicht ‚der Westen‘ sind, den doppelten Standard satt, mit dem hier gemessen wird. Das ist nichts Neues. Allerdings hat Russland zusammen mit einigen anderen Ländern inzwischen auch das wirtschaftliche Potential eine Alternative zu bieten.
Die Hegemonie des Westens basiert vor allem auf einer Hegemonie der USA. Diese wiederum ist gebunden an den Dollar als allgemein akzeptierte Reservewährung und eine wirtschaftliche Stärke, die sich nicht zuletzt aus dieser herausgehobenen Stellung der US-Währung ergibt.
Nun betreibt aber Russland eine Politik, die genau diese Hegemonie angreift. Gemeinsam mit Brasilien, China, Indien und Südafrika ist Russland dabei eine Alternative zur Weltbank und dem IWF zu gründen, nicht zuletzt mit dem Ziel, sich dem Diktat dieser Institutionen zu entziehen. Russland unterhält zu immer mehr Ländern direkte Geschäftsbeziehungen im Rohstoffsektor, die allerdings nicht wie bisher üblich in Dollar abgerechnet werden. Zuletzt schloss Russland einen Liefervertrag für Gas mit China im Wert von 400 Milliarden Dollar, wobei sich die beiden Vertragsparteien darauf einigten, in regionalen Währungen zu verrechnen. Macht diese Politik Russlands Schule, hat sie das Potential, die Hegemonie der USA aufzuheben und eine neue Weltordnung herzustellen. China findet die Vormachtstellung des Dollars ohnehin veraltet und das von den USA lange geknechtete Lateinamerika kann es vermutlich gar nicht erwarten, aufzustehen.
Die Ukrainekrise ist daher nur ein Teil in einer viel größeren geopolitischen Auseinandersetzung, wo es um nichts anderes geht als die Errichtung einer neuen, mulitpolaren Weltordnung respektive um die kurzzeitige Verlängerung des Verfallsdatums der alten.
Das Heraufziehen einer neuen mulitpolaren Ordnung kann man gut finden oder auch schlecht, wichtig allerdings wäre es, diesen Faktum zur Kenntnis zu nehmen und zu beleuchten. Die hiesigen Medien tun das nicht, üben sich in Kriegshetze gegenüber Russland und Hofberichterstattung gegenüber Washington, Berlin und Kiew, wobei sie ihren Auftrag der Aufklärung offensichtlich völlig aufgegeben haben.
Dabei ist der Niedergang der westlichen Hegemonie längst besiegelt. Selbst die Weltbank stimmt in den Abgesang auf den Dollar als Weltreservewährung ein, wobei sie das Ende seiner Vormachtstellung auf die Jahre nach 2050 ansetzt.
Es geht also gar nicht mehr um die Frage, ob, sondern nur noch wann und wie die Hegemonie der USA und des Westens abgelöst wird. Es stünde der deutschen und europäischen Politik, vor allem aber auch dem deutschen Journalismus gut zu Gesicht, statt sich in transatlantischer Vasallentreue zu üben, immer absurdere Volten des doppelten Maßstabes zu schlagen und Kriegshetze zu betreiben, diesen Prozess aufklärend und moderierend zu begleiten.
Es wäre nämlich eine Glanzleistung vor der Geschichte, wenn der Westen beweisen würde, dass ein Epochenwandel nicht zwangsläufig mit Krieg und Vernichtung einhergehen muss. Im Moment sieht es auch dank der deutschen Presse und Politik nicht danach aus.
Von russischer Seite aus gibt es eine Vielzahl von Angeboten zur Zusammenarbeit, die bisher nahezu alle in den Wind geschlagen wurden. Das ist ausgesprochen kurzsichtig und arrogant, denn man verschenkt die Möglichkeit der Gestaltung eines epochalen Wandels. Und die deutsche Journaille verschenkt mit jedem Hetzartikel, mit jeder Diffamierung, mit ihrer blinden transatlantischen Gefolgschaft ein weiteres Stück ihrer Notwendigkeit. Schließlich war ein zentraler Wert des Westens die Freiheit der Presse im Gegensatz zur totalitären Propaganda. Von diesem Freiheitsideal haben sich die traditionellen Medien spätestens in der Berichterstattung über die Ukraine deutlich entfernt. Die Freiheit der Presse liegt nämlich vor allem darin, verborgene Zusammenhänge aufzudecken, nicht sie zu verschleiern.
Wieder einmal brillant analysiert und auf den Punkt gebracht. Danke.
Super Beitrag. Genau so ist es! DANKE..