Ausgerechnet jetzt, wo die Panik fast auf ihrem Höhepunkt angekommen war, klopfte Donatella an Javiers Bürotür und trat ungebeten ein. Sie hatte Tränen in den Augen. Die Panik machte für eine Sekunde dem Gefühl der Verachtung platz. Javier lächelte, Donatella versuchte sich ebenfalls in einem Lächeln.
Sie wolle nochmal mit ihm reden, meinte sie. Sie fühle sich ungerecht behandelt, fügte sie hinzu. Sie sei nicht von der Schweiz nach Deutschland gezogen, um dann ein Lager aufzuräumen.
Javier fand Donatella erbärmlich. Widerlich, geradezu. Er lächelte. Es war, als läge ein Filter auf all dem, was Donatella sagte. Es kam von ganz fern, nicht von einem unmittelbaren Gegenüber. Er hörte die Worte, aber die Gefühle, die sich dahinter verbargen, die hörte er nicht. Er hörte nur winseln und er hätte gern noch einmal nachgetreten. Javier lächelte.
Er sagte, es würde sich sicher eine Lösung finden, mit der alle gut leben könnten. Er faselte etwas von Win-win-Situationen und wie sehr ihm das Wohl seiner Mitarbeiter am Herzen läge. Er schwadronierte etwas daher über Chancen und Möglichkeiten, getrennte Wege und Bestimmungen. Javier kam auf Begabungen und ihre unterschiedliche Verteilung in der Bevölkerung. Javier erzählte was von Wertschätzung ihrer gemeinsamen Zeit, von in die Zukunft blicken und das Vergangene hinter sich lassen. Er reihte Phrase an Phrase. Er nahm zur Kenntnis, dass Donatella nicht mehr weinte, er sah jetzt Erstaunen in ihren Augen. Denn im Gegensatz zu ihm selbst, hörte Donatella aufmerksam zu. Seine wirklich hirnlose Aneinanderreihung von Textbausteinen verletzte sie zutiefst, zumal sie ihr darüber hinaus bedeuteten, dass sie entlassen sei. Javier hatte diese Wendung seiner Rede nicht bemerkt.
Für einen Moment drang zu Javier durch, was Donatella sagte. “Vielleicht ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Jannis ist auch gleich da. Wir sollten morgen nochmal sprechen.”
“Hau ab du Schlampe”, dachte Javier, “verpiss dich aus meiner Galerie und meinem Leben.” Er lächelte.
“Das ist sicherlich eine sehr gute Idee”, antwortete er.
Donatella lächelte ein etwas versteinertes Lächeln zurück, drehte sich um, schloss die Tür hinter sich und ging. Mit jedem Schritt, mit dem sie sich entfernte, kehrte die Panik zurück. Gleich würde Jannis kommen, gleicht müsste er die Javier-Show geben. Er würde versagen. Er würde es nicht können. Es würde alles auffliegen. Warum war nicht einfach Stille? Nie war Ruhe, immer nur Erregung. Donatella, Jannis, Hass, Angst, nie war nichts. Immer dieses scheiß Außen, das nach Innen drang. Javier hatte für einen Moment die Fantasie, wie er sich selbst mit einem Schraubendreher ein Loch in den Kopf bohrte und einen Teil seines Hirns zerstörte. Dann wäre Ruhe. Er würde weiterleben, aber in Ruhe.
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