Es war vorgestern auf tagesschau.de, da ging es gleich drei Mal um russische Einmischung. Sowohl der spanischen Präsident Rajoy als auch die britische Premierministerin May wollten eine russische Einmischung in die inneren Angelegenheiten ihrer Länder festgestellt haben. Obendrein wurde noch über die USA berichtet, wo sich inzwischen der Sohn des Präsidenten Anschuldigungen ausgesetzt sieht, mit den Russen zusammengearbeitet zu haben.
Der sogenannte „Faktenfinder“ ging der spanischen Sache nach und hangelte sich an ganz vielen Konjunktiven entlang, fand also keine Fakten, suggerierte jedoch einen Wahrheitsgehalt.
Vorgestern war es auch, als auf der Arbeit ein Klient sichtlich verändert in unser kleines Zentrum kam. Er könne nur ganz kurz hier bleiben, er müsse gleich weiter, meinte er gehetzt. Sichtlich ungepflegt, mit Angstschweiß auf der Stirn stand er vor mir.
Auf die Frage, was los sei, antwortete er: „Die sind hinter mir her!“
„Nimm einen Moment Platz“, sagte ich. „Hier drin passiert dir nichts.“
„Bist du sicher? Die sind überall!“
Wer das sei, wer hinter ihm her sei, wollte ich dann von ihm wissen.
„Was weiß denn ich?!“, meinte er sichtlich erregt. „Die Russen werden es sein!“
Da bahnte sich eine gesellschaftliche Wahnvorstellung tatsächlich den Weg in die individuelle Wahnvorstellung eines Einzelnen.
Und genau so wenig wie mein Klient auf die Frage, warum die Russen denn hinter ihm her sein sollten, eine plausible Geschichte erzählen können, kann weder May, Rajoy noch tagesschau.de eine plausible Geschichte erzählen, was Russland für ein Interesse an einer Einmischung in Katalonien, Großbritannien oder den USA haben könnte.
Mein Klient meinte, „Die wollen mich fertig machen“.
Das reichte ihm als Erklärung aus. Dass das keine Erklärung war, weil sie die Antwort auf die Frage „warum?“ in keiner Weise plausibel beantwortet, war ihm im Moment nicht vermittelbar.
Mit einer ähnlichen Erklärung wartet allerdings auch der Mainstream und die westliche Politik auf, wenn sie meinen, Russland wollte den Westen destabilisieren. Fragt man „Warum?“ und hört dann die Antworten, wird es wirklich richtig psychotisch. „Der will uns fertig machen! Der will uns überfallen! Der ist das Gesicht des Bösen!“ Irgendwie geht es um Putin oder manchmal auch einfach um den Russen allgemein.
Damit ist auch klar, was dem Westen diagnostiziert werden muss: paranoide Schizophrenie. Man kann nur hoffen, dass sie Substanz induziert ist. Dann geht der Wahn nach einer gewissen Zeit meist von alleine wieder weg.
Meinem Klienten jedenfalls klebten Reste von weißem Pulver noch an der Nase, entsprechend ging es ihm auch nach ein paar Stunden wieder besser. Er hatte es sich über zwei Tage mit Koks und Speed kräftig gegeben, wurde im nachhinein klar. Er versprach es nicht mehr zu tun. Es sei ihm eine Lehre gewesen. Dieses Mal hätte er es endgültig kapiert. Ich sagte „soso.“
Ob es beim Westen als politisches Gebilde ähnlich ist und vorbei geht, oder ob der Zustand dauerhaft anhält, wird die Zukunft zeigen.
Ich wünsche auf jeden Fall gute Besserung.