Die Kynast-Dialoge. 8. und letzter Teil

Die hier aufgestellte These lautet, dass Kynast nur ein Symptom, eine Erscheinungsform ist, deren Ursache wesentlich tiefer liegt. Ja, Kynast ist ein schlechter Journalist. Er berichtet einseitig, glänzt durch breites Unwissen hinsichtlich der Themen zu denen er sich äußert, reagiert dagegen mit erstaunlicher Überheblichkeit, wenn man ihm das nachweist. All das, was man im Allgemeinen mit dem Wort Journalismus bezeichnet, erfüllt Kynast nicht. Er kann noch nicht einmal zuhören, sich selbst einen Moment zurücknehmen. Alles gerinnt ihm zu sich selbst.

Mit dieser durchweg narzistischen Struktur ist er allerdings nicht allein. Der deutsche Journalismus ist durchzogen von Personen, die Journalismus als Mittel zur Selbstdarstellung verstehen. Schlimmer noch, sie sehen sich in eine Hierarchie gestellt, fühlen sich gegenüber Zuschauern und Lesern überlegen, leiten aus ihrer Profession gar den pädagogische Auftrag der gesellschaftlichen Formung ab, wie uns Anja Reschke neulich wissen ließ.

Eine unglaubliche Anmaßung, die das journalistische Bemühen um Wahrheit durch Belehren im Sinne der Herrschenden und ihrer Narrative ersetzt. Reschke irrt, wenn sie meint, der aktuelle Journalismus würde die Vielfalt der Meinungen befördern. Im Gegenteil verengt er sie, denn das System, dem er sich verpflichtet fühlt, ist in einer tiefen Krise.  Das System zerfällt. Also macht der Mainstream das, was er in dieser Situation historisch immer gemacht hat: Er wird zur Propaganda. Er wähnt sich auf der richtigen Seite und wird entsprechend ein-seitig.

Der deutsche Mainstream-Journalismus ist als Journalismus gescheitert. Herausragendes Beispiel hierfür ist der neoliberale Umbau der Republik, der von den großen Verlagshäusern affirmativ begleitet wurde. Dabei war all das absehbar, was heute bittere Realität ist: Die Spaltung der Gesellschaft, der zunehmende Unterschied zwischen Arm und Reich, die Politikverdrossenheit der abgehängten Teile der Bevölkerung, die mit der vorgeblichen Alternativlosigkeit der neoliberalen “Reformen” gezüchtet wurde. Wenn Politik zu zentralen Themen wie der Ökonomie keine Alternativen bietet und der Journalismus das nicht infrage stellt, sondern sich als Mittler und Mediator versteht, der dem Rückbau sozialer Errungenschaften den Weg bereiten soll, dann ist er keiner. Es gibt natürlich Alternativen zur Alternativlosigkeit des Neoliberalismus. Wir verfügen über das Wissen, Ökonomie so zu steuern, dass sie weitgehend frei von Krisen zunehmenden Wohlstand für alle ermöglicht. Der deutsche Journalismus bildet den Diskurs hierzu nicht ab, sondern schlägt sich affirmativ auf die Seite des neoliberalen, gegenaufgeklärten Umbaus westlicher Gesellschaften.

Die Behauptung Kynast, dass Vertreter einer anderen Sichtweise kämen sehr wohl zu Wort, ist nicht völlig falsch. So durfte der Ökonom Heiner Flassbeck auf Deutschlandfunk ein wenige Minuten dauerndes Interview  zu deutschen Überschüssen und dem Handelskrieg mit den USA geben, bei dem der Redakteur offensichtlich parteiisch eine Sichtweise vertritt, während andererseits neoliberale Positionen und das Diktum der Austerität praktisch zur Dauerbeschallung durch den Mainstreams gehören.

Auch bei geopolitischen Themen ist der Mainstream an Einseitigkeit nicht zu überbieten. Daher ist der Begriff “Propaganda” durchaus gerechtfertigt. Es ist eben nicht so, dass einzelne Beiträge ein verzerrtes Bild zeichnen. Es ist der Mainstream in seiner Gesamtheit. Wie die aktuelle Auseinandersetzung um eine Sendelizenz für RT Deutsch zeigt, wird der Mainstream alles tun, damit dieses einseitige Bild erhalten bleibt. Der deutsche Journalismus selbst entwickelte sich damit zum Feind der Demokratie, denn ein breites Spektrum an Informationen und Meinungen ist zu deren funktionieren unabdinglich. Genau das aber wird von den Vertretern des deutschen Journalismus versucht zu verhindern.

Aktuell wird wieder mal Tschetschenien und die angebliche Verfolgung von Schwulen durch das mediale Dorf getrieben. Die Geschichte ist vorn und hinten nicht stimmig. Ich habe auf RT dazu ausführlich geschrieben. Das findet natürlich keine Beachtung, obwohl meine Recherchen dazu gründlich und sauber waren. Es findet schlicht keinen Eingang in die Berichterstattung. Dabei ist es eigentlich eine gute Nachricht die besagt: “Hey, freut euch. Es hat keine Opfer gegeben, die Geschichte ist falsch.”

Doch die Geschichte von den verfolgten und ermordeten Schwulen in Tschetschenien wird auf die Ebene der Giftgasangriffe Asaads gegen das eigene Volk gehoben. Beides findet alle paar Monate ausschließlich in den Medien statt und hat keinen Bezug zu den Fakten, dient lediglich der Beeinflussung und Lenkung der öffentlichen Meinung. Es wird Hass gezüchtet. 

Leute wie Kynast machen da munter mit. Sie wären gar nicht da, wo sie sind, würden sie sich dem verweigern oder auch nur korrigieren wollen. Der deutsche Journalismus hat ein strukturelles Problem und ist in sich auch nicht reformfähig. Er verengt die Meinungen und Sichtweisen, wo er sie doch erweitern sollte.   

Was kann man tun? Nun man sollte sich selbst vertrauen. Gibt es in der eigenen Erfahrungswelt irgendetwas, das dem entspricht, was der Mainstream einem Glauben machen möchte?  Sind die Informationen konsistent, passen sie zueinander? Sind sie logisch? Was ist das Motiv? Dient die Information tatsächlich der Information oder der Emotionalisierung?

Dann sind wir wieder bei den Werten der Aufklärung, von denen sich der deutsche Journalismus weitgehend verabschiedet hat. Wie Kant sagte: “Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit.” Leute wie Kynast werden das für uns nicht besorgen. Wir müssen es selbst tun. Jeder Medienkonsument für sich.  

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