Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise.

Die Eurokrise tobt seit 2009 und allen Beteuerungen des Gegenteils zum Trotz hält sie Europa fest im Griff. Auf eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit der verabreichten Medizin wollen sich insbesondere die deutschen Eliten ebenso wenig einlassen wie auf eine Diskussion über eine fehlerhafte Konstruktion des Euro, die dringend korrigiert werden müsste.
Je länger die Krise dauert, desto mehr gefährdet sie den Zusammenhalt Europas, desto mehr schwindet das Vertrauen der Bürger in das Projekt der Europäischen Union. Da ist sich Yanis Varoufakis ganz sicher, der gemeinsam mit Stuart Holland und James Galbraith die kleine Schrift “Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise” vorgelegt hat, die Anfang dieses Monats auch auf Deutsch erschienen ist.
Um ein Auseinanderbrechen nicht nur der Eurozone, sondern eine nachhaltige Beschädigung des europäischen Projektes zu verhindern,  muss die Krise daher schnell, umfassend und unter größter Rücksichtnahme auf deutsche Befindlichkeiten, Irrationalitäten und Ängste gelöst werden.
In klaren Worten analysieren die Autoren das Wesen der Krise und denken zusammen, was im Denken deutscher Ökonomen und Politiker als unverbundene Einzelphänomene erscheint, die diese daher auch getrennt angehen.
Die Investitionskrise, um ein Beispiel herauszugreifen, kBescheidener Vorschlagann nicht angegangen werden, indem die EZB einfach nur Liquidität zur Verfügung stellt. Diese Maßnahme muss politisch flankiert werden. Sonst landet alle Liquidität nur in den Finanzmärkten und führt dort zur neuer Blasenbildung, was in den nächsten Krisenzyklus führt. Der täglich neue Rekordhöchststand beim DAX, den Anja Kohl vor der Tagesschau allabendlich naiv freudig besingt, spricht hiervon Bände. Fundamental ist die Rallye durch nichts gerechtfertigt.
Allein, was soll man denn mit dem ganzen, kostenlos zur Verfügung gestellten Geld machen? Die Staaten haben sich schuldengebremst und fallen als Investoren aus, die Bürger drosseln krisenbedingt ihren Konsum, da lohnt sich eine Investition in die reale Wirtschaft nicht. Also wird spekuliert auf Teufel komm raus. Vorherzusagen, dass die Blase in Kürze platzen und dass das nächste Platzen der Blase die Krise nochmals verstärken wird, bedarf keiner großen seherischen Fähigkeiten. Es wäre Aufgabe der Politik hier einzuschreiten.
Die weigert sich aber aus ideologischen Gründen, von ihrer Möglichkeit zur Gestaltung Gebrauch zu machen. Insbesondere der deutsche Finanzminister bemüht mantraartig die Rede von den Märkten, die beruhigt werden müssten, ohne auch nur eine einzige Maßnahme zu ergreifen, die tatsächlich geeignet wäre, das zu tun.
Gerade ihm erscheinen Schuldenkrise, Bankenkrise und Investitionskrise als drei voneinander unabhängige Felder, während sie Yanis Varoufakis und seine Mitautoren als Symptome einer zugrunde liegenden Problematik einer Fehlkonstruktion des Euro denken. Dabei erweitern die Autoren die Symptome noch um die soziale Krise, die in Europa tobt, was von der deutschen Politik, insbesondere von Wolfgang Schäuble in zynischer Weise ausgeklammert wird.
Mit “Ein Bescheidener Vorschlag” nehmen die Autoren ganz besondere Rücksicht auf deutsche Befindlichkeiten und den deutschen ökonomischen Mainstream.
Es scheint, als hätten sie es als sportliche Herausforderung genommen, die für Europa destruktiven deutschen Vorgaben zu beachten und dennoch ein sinnvolles Handlungsfeld zu erarbeiten, das eine grundlegende Krisenbewältigung ermöglicht. Heraus kam ein Vorschlag, der unter Beachtung der bestehenden Verträge die Krise tatsächlich sofort beenden würde. Der Trick ist, sie entdecken Möglichkeiten, keynesianische Wirtschaftspolitik in einem Umfeld zu installieren, das mit allen Mitteln versucht keynesianische Politik zu verhindern.
Warum Deutschland versucht, auf europäischer Ebene Keynes mit allen Mitteln zu hintertreiben, ist im Grunde völlig unverständlich und nur noch psychiatrisch aber nicht mehr inhaltlich zu erklären. Schließlich ist der Kern gerade dieser ökonomischen Schule in der Auseinandersetzung mit der Weltwirtschaftskrise entstanden und hat im New Deal seine Fähigkeit zur Krisenbewältigung historisch unter Beweis gestellt. Wann, wenn nicht genau jetzt, wäre ein Rückgriff auf dieses bewerte Rezept sinnvoll? Das, was Deutschland unter Schäuble Europa vorschreibt, ist reiner Sadismus.
Und, dieser kleine Einwurf sei erlaubt, in manchem Interview kann Schäuble nur noch ganz bedingt kaschieren, dass er zwar keine Ahnung von den Zusammenhängen der Krise hat, aber eine tiefe Freude an der Erniedrigung der Griechen und anderer europäischer Nationen empfindet. Wenn die Lust nicht mehr in den Schoß fließen kann, bahnt sie sich eben andere Wege. Auch das ist in der Psychiatrie nicht unbekannt.
Jetzt liegen sie also offen da, die Alternativen zur Alternativlosigkeit des deutschen Krisenmanagements. Es sind ja, das zeigt sich mit jedem Tag deutlicher, tatsächlich nur die deutschen Positionen, die eine Genesung Europas verhindern. Immer unverholener tritt Schäuble auf, weist europäische Instanzen und Institutionen ebenso in die Schranken wie europäische Nationen und Parlamente, und macht klar, wer hier der Herrenmensch ist. Die europäischen Nationen bekommen faktisch die Position von Kolonien zugewiesen, in denen deutsche Politik exekutiert wird. Scheiß auf Demokratie und den ganzen Kack!
Es bedarf auch hier keiner großen seherischen Fähigkeiten, um zu sagen, das wird nicht lange gut gehen. Peinlich ist daher auch die Besprechung des Buches in der Süddeutschen. Der Autor dort nähert sich dem Buch im wesentlichen über die Biographie Varoufakis. Der ist nämlich fundamentaler Linker, will den Kapitalismus nur deshalb retten, damit Europa nicht nach rechts abdriftet. Deshalb sei dem Vorschlag auch zu misstrauen. Was dem deutschen Journalismus als zwingende Logik erscheint, nennt man anderswo Dummheit.
Immerhin wird später einmal die Ausrede, man habe es nicht besser wissen können, nicht gelten. Denn es liegt ja der Vorschlag vor, ist allen zugänglich und bescheiden im Preis im doppelten Sinne ist er auch noch. Das Buch ist  günstig und die darin ausgebreiteten Vorschläge kosten keinen Cent. Jetzt muss der Diskussionsbeitrag nur noch seinen Weg in die Debatten finden.
Yanis Varoufakis, James K. Galbraith, Stuart Holland: Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise. Ein New Deal für Europa.

12 Kommentare zu „Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise.

  1. Dass ich nicht lache, keynesianische Wirtschaftspolitik ist gerade der Grund, warum die meisten Länder Pleite sind. Daran ändert auch die völlig unhaltbare Behauptung nichts, New Deal hätte die 1929 Krise beendet. Es ist genau umgekehrt, New Deal hat die Krise mindestens um weitere 5-7 Jahre verlängert, erst die Kriegsausgaben haben die Krise beendet. Offensichtlich kann heute jeder Dilettant auf dem ökonomischen Sandhaufen spielen.

    1. Sie haben genauso wie fast alle Politiker keine Ahnung von den Theorien von J.M. Keynes. Und Gleiches gilt für den New Deal.
      Keynes sagte sehr wohl, dass in guten Zeiten angespart werden muss, um es in schlechten Zeiten für die Konjunkturförderung ausgeben zu können.
      Das weiß aber auch jedes Eichhörnchen. Leider die Politik nicht.

    2. Das bereits seit den 1970er Jahren der Neoliberalismus die Wirtschafts- und Finanzpolitik immer fester im Griff hat blenden Sie bei Ihrer Aussage aus. Schauen Sie sich bitte die Entwicklung der Schuldenstände ab dem zweiten Weltkrieg an und auch Sie werden erkennen, daß der rasante Anstieg der Verschuldung in die Ära des Neoliberalismus fällt.

    3. @Vok
      Unsinn, ich weiss sehr wohl was Keynes geschrieben hat, er muss wohl auf dem Mars gelebt haben oder ein grosser Dummkopf sein, jedes Kind dass was von der Politik versteht muss bei solchen Vorstellungen lachen. Was Sie wohl nicht verstehen, das ist bei der Theorie das kleinste Problem, dass Politiker nicht auf Vorrat sparen, viel schlimmer ist die damit verbundene Manipulation der Zinsen durch Zentralbanken die zu massiver Fehlallokation des Kapitals führt und Fehlinvestitionen am laufendem Band produziert, siehe subprime Hypotheken USA. Denn kein Zentralbänker der Welt hat zu gegebener Zeit eine Ahnung, was aktuell die optimale Höhe der Zinsen und Grösse der Geldmenge ist. Das, zusammen mit einer ungedeckte Währung, ist ein Rezept für die Pleite.

    4. @ICH
      ich blende überhaupt nichts aus, Sie haben leider keine Ahnung was das Wort liberal, oder neoliberal ist. Denn, seit 1913 ist weltweit vom Liberalismus oder Neoliberalismus und von freien Märkten keine Spur. Sie verwechseln es mit neocons, eine Gruppe, deren Idelologen ehemaligen Marxisten sind.(Irving Kristol usw.) Die heutige Situation in den USA und sonst kann man besser mit dem Wort Oligarchie und Faschismus bezeichnen.

  2. Ich werde mir dieses Buch nicht kaufen, weil ich Yanis Varoufakis ebenso für einen Selbstdarsteller halte wie ich von Schäuble eine ebenso missachtliche Meinung habe und man solche nicht auch noch unterstützen muss.
    Dass sich an der Euro-Politik und am freundlichen Verhalten gegenüber der Banker und auch der Politiker selbst – Lobbyismus – sehr viel ändern muss, stelle ich dagegen nicht in Frage. Deren Politik unterscheidet sich kaum noch von der Chinas, wo das Vermögen ebenso in der Regierung verteilt ist oder diese an der Politik mitbestimmen um sich das Leben noch schöner zu gestalten.
    Hat hat alles schon mit Demokratie nichts mehr zu tun und geht an den eigentlichen Bedürfnissen der Bürger gänzlich vorbei.
    Warum hier allerdings nur Deutschland als hauptverantwortlicher zitiert wird ist mir etwas schleierhaft oder damit zu erklären dass es bei manchen nun einmal nicht zum Blick in den Spiegel ausreicht oder dieser halt nur am Anschein dient.

  3. Als kleiner Hinweis zwischendurch: Alle Kommentare müssen von mir freigeschaltet werden. Ich schalte alle Kommentare frei, wenn sie einen Debattenbeitrag leisten, auch wenn sie nicht meiner Meinung entsprechen. Beiträge, die beleidigen und diffamieren, lösche ich allerdings.

  4. Der obige Text enthält zu viel Polemik. Das lässt nichts Gutes für das Buch hoffen. Die einzige Lösung zur Eurokrise ist Schuldenerlass und Wiedereinführung flexibler Wechselkurse und die größte Rechnung von allen bekommen die Deutschen. Das will sich nur niemand aus der Politikelite eingestehen.

  5. Keynesianismus ist gut gemeint, aber unter kapitalistischen Verhältnissen nicht durchsetzbar. Bekanntlich ist Keynes auch mit mit dem Vorschlag einer neutralen Verrechnungswährung gescheitert. Logisch, denn nur der us-Dollar als Leitwährung garantiert die wirtschaftliche Kontrolle.
    In diesem Sinne greift auch Schäubles Pathologisierung zu kurz, wenn ich auch zugebe, dass seine Aussagen oft kaum einen anderen Schluss zulassen. Das heisst allerdings nicht, dass seinem Handeln nicht zusätzlich eine imperiale Logik zugrunde liegt. Die beiden Antriebskräfte müssen sich ja nicht ausschliessen.
    Es ist offensichtlich, dass die EU im Allgemeinen, und Deutschland im Besonderen alles tun, um die linke griechische Regierung so schnell wie möglich zu Fall zu bringen. Sie soll krachend scheitern und dadurch Nachahmer abschrecken. Tsipras und noch mehr Varoufakis eignen sich vorzüglich, Politisches zu personalisieren, bekanntlich das Rezept Nummer eins, wenns um Entpolitisierung geht.
    Was Varoufakis für eine theoretische Position hat, ist eigentlich nebensächlich. Entweder hat die griechische Regierung den Mut ‚Nein‘ zu sagen und damit einen Default zu riskieren, oder sie wird genauso untergebuttert, wie alle Regierungen vor ihr. Dabei hätte Griechenland gar nicht so schlechte Karten. Es ist strategisch wichtig. Ein Auszug aus EU und nato wäre für den Westen sehr unangenehm. Erst recht bei einer gleichzeitigen Annäherung an Russland und China.

  6. Ich wünschte, jemand würde einfach diese Vorschläge in einer kurzen Liste bündig aufschreiben. Das ist alles. Dass Varoufakis keine Person ist, dessen Vorschläge Gutes erwarten lassen, sei mal dahin gestellt. Für lange Texte um nichts herum haben wir heute keine Zeit.

    Wenn das angeblich nicht möglich sein sollte, dann würde ich sagen, gibt es nichts zu diskutieren.

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