Kulturen, Lärm und Rausch

In meinem neuen, kürzlich bezogenen Domizil werde ich heute mit einem Event der besonderen Art beglückt. Der „Karneval der Kulturen“ zieht unter dem Balkon des gemeinsam bewohnten Appartements entlang. Inzwischen seit gut vier Stunden und ein Ende ist nicht in Sicht. Ich ergreife daher dankbar die sich darbietende Gelegenheit und sinne etwas über den Kulturbegriff nach. So viel Anschauungsmaterial bekommt man selten geboten und schon gar nicht gleichsam frei Haus.

A propos Haus: Von Hause aus pflege ich einen sehr vorsichtigen Umgang mit dem Begriff „Kultur“. Kein Mensch weiß genau, was das sein soll. Es tobt ein endlos langer Streit in der Geistesgeschichte um die Deutungshoheit des Wortes. Und ohne mich jetzt auf die ein oder andere Seite der streitenden Parteien schlagen zu wollen, lässt sich allein schon durch das Vorhandenseins dieses Streites annehmen: Kultur ist ein durch und durch metaphysischer Begriff. Jeder hat eine Idee, aber wenn es darum geht, genau zu sagen, was Kultur sei und was nicht, versagt plötzlich das Instrument Sprache.

Allerdings habe ich heute einen neuen, nicht metaphysischen Zugang zum Begriff gefunden. Alle Kulturen, die heute unter unserem Balkon vorbeiflanierten, hatten zwei Dinge gemeinsam: Sie waren erstens auf ihre je eigene Weise laut und sie animierten zweitens auf ihre je eigene Weise zur Berauschung.

So lautet die coole Erkenntnis des Tages: Kultur hat was mit Saufen und mit Mucke zu tun. Kiffen geht natürlich auch. Die Mucke sollte dann aber eine andere sein.

Eventuell war aber auch nur der Aspekts des Karnevals etwas überbetont und die Kultur musste zurückstecken. Wie dem auch sei: Prost!