Es trat eine Pause ein. Sam sah mich an. Er wartete offensichtlich auf eine Reaktion. Eine Entschuldigung vielleicht oder einen brüsken Wutausbruch eventuell. Ich konnte weder mit dem einen noch mit dem anderen dienen, denn ich wusste noch gar nicht, um was es hier ging. Religiöse Verfolgung? In Deutschland? Die einzigen religiösen Dauerbrenner, denen ich mich spontan entsinnen konnte, waren die Fragen, wann und aus welchem Grund ein Kruzifix wo im öffentlichen Raum angebracht werden durfte und ob religiös motivierte Sackkleidung das deutsche Straßenbild eher verunziert oder bereichert. Hilfesuchend blickte ich zu Sebastian.
Sich an Sam wendend meinte er: „Das mit Scientology ist in Deutschland kommt in den deutschen Nachrichten nicht vor.““Um so schlimmer“, meinte dieser und forderte mich auf, mich hier und jetzt zur Glaubensfreiheit zu bekennen. „Denn wer nicht für uns ist, ist gegen uns und unser Feind.“ Er vergaß das Wort „Prost“ hinzuzusetzten, denn nun war wieder ein kräftiger Schluck fällig.
Ich war verunsichert und suchte nach einem Weg, mich der Situation elegant zu entwinden. Ich hielte es hier mit Voltaire, meinte ich versuchsweise. Da der Pastor Voltaire nicht kannte, wagte ich einen Griff in meine Zitatenschatztruhe: „’Ich werde Ihre Meinung bis an mein Lebensende bekämpfen, aber ich werde mich mit allen Kräften dafür einsetzen, dass Sie sie haben und aussprechen dürfen.’“
Sams Gesichtfarbe glitt ins Rötliche hinüber. Wie ich Glaubensgewissheiten, die individuelle Erfahrung der Erweckung mit bloßer Meinung gleichsetzen könne, wollte er wissen. Ich holte Luft, um es zu erklären, kam aber nicht weit. Sams Stimme wurde deutlich lauter. Im Hintergrund sah ich Sebastian, der Gesten der Beruhigung machte. Ich wollte nicht streiten, doch die Situation drohte mir zu entgleiten.