Es entspann sich eine kleine Plauderei. Tietz bot Kaffee an, Gregor Bauer und Olaf Graf lehnten ab, Caroline Gottschalk erbat sich eine Tasse, die sie sich von Wolfram Tietz servieren ließ. Er schien es gern zu tun und sie genoss seine devote Haltung ihr gegenüber.
Es ging dann um ganz allgemeine Themen, das Wetter, die Bundeliga, das Kinoprogramm. Tietz spannte den thematischen Rahmen dann etwas enger, kam auf die Firma zu sprechen, ihre noch recht kurze, aber, wie er fand, durchaus beeindruckende Geschichte. Die genialen Leistungen Schmidts, der es verstand, die SCHOW GmbH immer wieder neu auszurichten und auf aktuelle Trends in der Werbebranche unmittelbar zu reagieren. Von dieser Fertigkeit würden alle Angestellten profitieren, meinte Wolfram Tietz, denn wenn es der Firma gut ginge, dann ginge es selbstverständlich auch allen Mitarbeitern gut. Um das Prosperieren der Firma aber sicher zu stellen, sei es notwendig, die hohe Flexibilität zu erhalten.
Wir nähern und dem eigentlichen Thema, dachte Olaf Graf in dem Moment, als Tietz fortfuhr: “Eine Arbeitnehmervertretung, fürchte ich, hemmt die Veränderungen unnötig und macht die Firma träge.” Tietz war stolz auf sich. Trotz der inneren Anspannung, kein einziger S-Laut.
“Es ist nicht unsere Anliegen, uns ins operative Geschäft einzumischen”, meinte Caroline Gottschalk, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, nippte am Kaffee und schlug ihre Beine übereinander.
Die Gottschalk ist eine geile Sau, dachte Tietz. “Mir war klar, mit ihnen würde man reden können”, sagte er und lächelte die Gottschalk an. “Manchmal hat der Umgang hier, nun wie kann ich ihn nennen, der Umgang hier hat oft etwas Rustikales. Unbenommen. Aber wenn wir darüber reden, können wir wohl eine Möglichkeit finden, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen.” Da waren jetzt doch ein paar S dabei. Außerdem klang das jetzt schon ziemlich gestelzt, gab Tietz sich gegenüber zu. Er würde der Einfachheit und der Genauigkeit halber jetzt einfach Klartext reden, Lispeln hin oder her. “Sie haben sich geärgert. Lassen sie uns darüber reden, eine Lösung finden und die Betriebsratssache vergessen.” Tietz war sich sicher, es würde klappen.
Olaf Graf sah zu Caroline und Gregor. Gregor sah zu Olaf und Caroline, Caroline erwiderte die Blicke, Tietz war sich nicht mehr ganz so sicher. Es war Gregor Bauer, der das Wort ergriff. Er sprach vom Wort des Ehrenmannes, das man nicht zurückziehen könne, es sprach von den Erwartungen der Mitarbeiter, die man jetzt nicht enttäuschen könne, er gab seiner Zuversicht Ausdruck, man würde sich auch mit Wolfram Tietz und vor allem Roland Schmidt sicher verständigen können, wobei er betonte, Roland Schmidt als Menschen sehr zu schätzen, weshalb es auch völlig abwegig sei, die Gründung eines Betriebsrates als persönlichen Angriff zu werten. Er würdigte den gegenwärtigen Moment, in dem sie jetzt hier alle beisammen saßen, gab seiner Hoffnung Ausdruck, dieser Mut zum Frieden und zur Verständigung würde auch in Zukunft die Firma beseelen. Gregor Bauer wäre sicherlich auch jetzt noch am sprechen und hätte sich um Kopf und Kragen geredet, hätte ihn Olaf Graf nicht brüsk unterbrochen. “Wir müssen ihren Vorschlag besprechen. Das verstehen sie sicherlich.”
“Auf jeden Fall!”, beeilte sich Tietz zu sagen. “Beraten sie sich. Für heute machen sie Feierabend. Denken sie über meine Idee nach. Und natürlich alles in Frieden, wie Herr Bauer eben so schön sagte.” Noch nie hatten sie ihren Personalchef so fürsorglich und großzügig erlebt. Um 14 Uhr Feierabend machen, unglaublich.
Zum Abschied schüttelte Tietz allen die Hand und geleitete sie hinaus. Caroline Gottschalk warf im Hinausgehen ihr Haar in den Nacken und lächelte Tietz an. Du verdorbenes, kleines Luder, dachte Tietz, hob die Hand zum Gruß und lächelte zurück.
Vor dem Aufzug fragte Gregor, “sollen wir das jetzt wirklich abblasen?”
“Natürlich nicht! Lasst uns gehen, wir müssen einiges besprechen”, antwortete Olaf Graf.
“Ich müsste noch einige Kunden abtelefonieren”, sagte Caroline.
“Das Abtelefonieren deiner Kunden ist in den nächsten Tagen vermutlich dein kleinstes Problem”, meinte Olaf. “Sagen wir in zehn Minuten vor der Firma? Wir können zu mir. Ich habe Bier im Kühlschrank.”
Nach kurzem Hin und Her verständigten sie sich darauf, sich erst in fünfzehn Minuten zu treffen, weil Caroline eine Kundin auf jeden Fall anrufen wollte, und darauf, unterwegs eine Flasche Prosecco zu besorgen, weil sie kein Bier trank. Als sie vor der Firma standen, sahen sie, wie Wolfram Tietz zum dritten Mal an diesem Tag auf dem Weg in Roland Schmidts Büro war.
wenn es nicht so bitter wäre, wäre es einfach verblüffend, dass hier unsere Geschichte erscheint (natürlich nicht in der Werbebranche und auch sonst sind ein paar Details bei uns nicht so). Und zwar fast zeitgleich, denn wir haben vor ein paar Tagen die Einladung ausgehängt und haben schon einges so ähnlich und schlimmer erlebt und treffen uns nun zum Cafe mit unserem Chef..
Ich würde ja gerne ein bisschen in unserer Zukunft lesen, aber die Geschichte ist ja leider noch gar nicht so weit…