“Problem erledigt, nehme ich an.” Roland Schmidt drehte sich in seinem Bürostuhl in die Richtung des Raumes, in der Wolfram Tietz eben Platz genommen hatte.
“Ende naht heran!” Tietz ballte die Faust und richtete den Daumen auf. “Ab morgen können wir alle wieder normal arbeiten.” Richtig zu lügen war Tietz zuwider, er entschloss sich dafür oft für halbe Wahrheiten. In diesem Fall schien es ihm in jedem Fall besser, Schmidt nicht weiter mit nebensächlichen Fakten zu belästigen. Er war sich sicher, innerhalb des nächsten Tages wäre das Thema “Betriebsrat” zu den Akten gelegt. Schmidt wollte er so weit wie möglich abschirmen.
“Sehr gut. Ich habe auch wirklich Wichtigeres zu tun, als mich mit den Spinnereien von drei Nullnummern auseinander zu setzten. Schmeiße die drei raus und stelle neue ein. Wir brauchen sowieso noch mehr Mitarbeiter. Vor allem Programmierer und Leute in der Aquise. Zudem sollten wir eine Art Rotatationssystem einführen. Ziel sollte sein, dass innerhalb einer Abteilung im Grunde jeder an jedem Arbeitsplatz arbeiten kann. Jeder muss jeden anderen ersetzen können. Wir müssen uns flexibel halten.”
Tietz hatte diesbezüglich einige Fragen. Vor einiger Zeit, eher Wochen als Monate, war es Schmidts Idee gewesen, jede Abteilung mit einem Projektleiter auszustatten. Nach einem System, von dem Schmidt meinte, es sei dazu angetan, Synergieeffekte zu erzeugen und ganz allgemein die Leistungsbereitschaft zu erhöhen, waren neue und junge Mitarbeiter in den einzelnen Bereichen zu Projektleitern aufgestiegen, was sich freilich nicht auf deren Gehalt auswirkte. Man war übereingekommen, erst nach einer gewissen Bewährungsfrist über das Salär neu zu verhandeln. Die angehenden Projektleiter waren einverstanden, was hätten sie auch tun sollen.
Zu seiner Überraschung fanden einige altgediente Mitarbeiter es gar nicht gut, nun plötzlich einen Vorgesetzten zu haben, der nicht nur jünger war, sondern auch deutlich weniger Erfahrung in der Firma mitbrachte. Das, was von Schmidt als Ansporn zur Erhöhung der Leistung insbesondere der älteren Mitarbeiter gedacht war, empfanden diese zu seiner Überraschung als ausgesprochen frustrierend und daher leistungshemmend. Schmidt sah sich genötigt, einige dieser von ihm als Störer empfundenen Mitarbeiter einzeln zum Gespräch zu laden und ihnen eine Rede zu halten, in der es um die Notwendigkeit ging, Neues zuzulassen und in der Schmidt etwas von “die ausgetretenen Pfade verlassen, unbekanntes Terrain erkunden” faselte. Einzelne der Störer versuchten noch das ein oder andere Argument vorzubringen, gaben jedoch schnell auf. Bei einem dieser Gespräche war aber aufgefallen, dass der allen in der Firma bekannte, weil ausgesprochen sympathische und gut aussehende Herr George immer noch den Status eines Praktikanten hatte. Er war etwas vorschnell, das war Schmidt bereit zuzugeben, zum Vorgesetzten der IT-Abteilung gemacht worden. Daraufhin hatte sich der gut aussehende Julius George mit all der Naivität eines dreiundzwanzigjährigen gedacht, nach seinem siebten Praktikum wäre endlich die Zeit eines festen Arbeitsvertrages gekommen, denn eine Abteilung im Rahmen eines Praktikums zu leiten, schien ihm doch mehr als ungewöhnlich. Das sah Wolfram Tietz allerdings ähnlich, woraufhin der sympathische Herr George entlassen wurde.
Tietz erinnerte Schmidt an die Vorgänge, die dieser mit einer lapidaren Handbewegung wegwischte. “Flache Hierarchien, Tietz! Flache Hierarchien ist das Zauberwort. Wir müssen neu denken. Und den George soll die Müller mal anrufen. Der war nicht schlecht in seinem Metier. Wenn der noch nichts hat, soll sie ihm ein Praktikum anbieten. Aussicht auf Festanstellung.”