Caroline Gottschalk saß in Olaf Grafs Wohnzimmer, schenkte sich den letzten Rest Prosecco ins Glas und kicherte. “Jungs, das war einer meiner besten Arbeitstage! Ich habe endlich mal was Sinnvolles gemacht.”
“Es war auf jeden Fall sehr spannend.” Gregor Bauer nahm noch einen Schluck Bier.
“Es wird aller Voraussicht noch etwas Spannender werden, darauf könnt ihr wetten”, sagte Olaf.
“Ich finde, wir haben unsere Sache gut gemacht. Wir waren ehrlich, haben uns zu erkennen gegeben. Schmidt und Tietz wissen jetzt, wen sie ansprechen müssen, wenn sie Fragen haben. Es war ganz gut, diesen Weg genommen zu haben. Diese anonyme Variante mit Brief über die Gewerkschaft an die Geschäftsführung hat mir nicht gefallen. Es hätte was Weibisches gehabt.”
“Wie meinst du das denn jetzt?” Carolines Stimmung wechselte unmittelbar. “Hast du sie noch alle?”
“Ich meine sowas Hinterhältiges, heimtückisch, sowas wie Giftmord, die Waffe der Frauen.” Gregor ließ es manchmal an rhetorischem Geschick vermissen.
“Das wird ja immer besser! Was hast du denn für ein beschissenes Frauenbild?”
“Ich meine das nicht böse oder so, eher ganz deskriptiv.”
“Deskriptiv?” Caroline runzelte die Stirn.
“Ja, ganz objektiv beschreibend.”
Gregor war mehr als nur ungeschickt. Olaf Graf überlegte, was zu tun sei.
“Was soll denn bitte an der Gleichung Frauen gleich heimtückisch und hinterhältig objektiv beschreibend sein?”
“Lasst uns mal kurz auf heute zurückkommen. Ich bin mir ehrlich gesagt nicht so sicher, ob der Weg, den wir gewählt haben, der bessere war. Da kommt bestimmt noch viel auf uns zu. Für heute haben wir etwas Zeit gewonnen, aber das war es auch schon.”
“Was soll denn noch kommen? Da hat Gregor doch recht. Die wissen jetzt, wer hinter der Einladung zur Betriebsversammlung steckt und können sich an uns wenden, wenn sie Fragen oder Anregungen haben. Der Tietz war doch total entspannt heute.”
“Anregungen? Was sollten die für Anregungen haben?” Olaf sah fragend zu Caroline. “Die werden uns keine Tipps geben. Das wird in den nächsten Tagen vermutlich ziemlich heftig werden.”
Sowohl Caroline Gottschalk als auch Gregor Bauer sahen den nächsten Tagen weitaus gelassener entgegen als Olaf Graf. Auch wenn sie ein grundsätzlich anderes Frauenbild hatten, so stimmten sie doch darin überein, in Wolfram Tietz einen sehr angenehmen Gesprächspartner zu haben. “Schmidt würde einfach nur brüllen, der Tietz ist freundlich, fragt, ob wir Kaffee wollen und so weiter. Das ist doch super. Gibt’s hier noch irgendwo Prosecco oder sowas?”
“Ich habe irgendwo noch Baileys. Willst du ein Glas?”
“Würde ich nehmen! Bin schon beschwipst.” Caroline kicherte wieder.
“Ich noch ein Bier, wenn noch welches da ist.”
Olaf ging in die Küche, schenkte ein kräftiges Glas Baileys ein, froh darüber, das in seinen Augen viel zu süße Zeug endlich loszuwerden. Es war von einer Party übrig geblieben. Er nahm zudem noch zwei Bier aus dem Kühlschrank, öffnete sie und ging mit allem ins Wohnzimmer zurück. “Ich bin mir sicher, der Tietz ist viel gefährlicher als der trampelnde Schmidt.”
“Also wenn der Schmidt mich anschreit, dann kriege ich Schiss. Den Tietz wickele ich um den Finger.”
Olaf Graf reichte Caroline das Glas. “Was? Der Schmidt schreit dich an? Warum das denn?”
“Immer mal wieder. Neulich zum Beispiel habe ich eine Anzeige im Internet falsch geschaltet, da ist der total ausgerastet, dabei war sie noch nicht mal online gegangen. Ob er nur von Idioten umgeben sei, ob ich ihn ruinieren möchte, ob ich absichtlich so eine Scheiße mache und so weiter und so fort. Macht der das mit euch nicht?”
“Mit mir nicht. Mit dir?” Olaf Graf sah zu Gregor Bauer.
“Selten.”
“Wie? Selten? Ihr lasst euch von dem anschreien?”
“Mich wundert jetzt eher, dass er das mit dir nicht macht. Dich mag er doch überhaupt nicht.” Caroline Gottschalk leckte sich den Baileys von den Lippen.
“Mich mag er nicht? Woher weißt du das denn?”
“Hat er mir mal gesagt. Du wärst ein Streberarschloch.”
Der Nachmittag ging in den Abend über und mit jedem Satz der zwischen den dreien geäußert wurde, wurde es etwas interessanter.