Auf meinem letzten abendlichen Streifzug durch die im Internet verfügbaren Zeugnisse des Pop stieß ich auf einen neuen, mir bisher unbekannten Namen: Olga Gorbatscheva. Der Clip, der mich sofort in den Bann geschlagen hat, heißt Sneg, Schnee.
Schwarzweiß gehalten, ganz schlicht, aber von unglaublicher Ästhetik. Die Klickzahlen überraschten mich. Gerade mal etwas mehr als 80.000 Mal wurde das ästhetische Meisterwerk in seinem Original angeklickt. Sehr übersichtlich also. Ich muss hier die GEMA-Variante verlinken, die es auf gerade mal etwas mehr als 400 Klicks bringt. Ebenfalls beschaulich. Und für mich erstaunlich. Denn ich fand es auch nach dem zehnten Mal anschauen noch gut. Und nicht nur das, es hatte mich in euphorische Stimmung versetzt.
Ich beschloss Experten hinzuzuziehen, wandte mich an La Gioconda und fragt sie nach ihrer Meinung.
Es wäre nicht für sie gemacht, hätte sie nicht gefangen genommen. Es gäbe einen Mangel an Ideen.
Hmm. Ich sah es mir nochmal an und fand es immer noch gut. Ich fand die Idee sogar ganz gut durchdekliniert. Für mich war das stimmig.
Ich fragte Oleg, auf dessen Geschmacksurteil ich mich verlassen konnte. Schließlich war er es, der mich vor einiger Zeit auf La Gioconda aufmerksam gemacht hat. Ich gebe zu, ich bin damals vor Ergriffenheit vom Sofa gerutscht.
Auf meine Frage, wie er den Clip fände, bekam ich zur Antwort, er würde das Schlagzeug und die Gitarre nicht hören. Aber ist das nicht gerade der Witz an der Sache? Diese totale Inszenierung? Der Schlagzeuger, der da in einem Rückwärtsloop gefangen einzig um der Ästhetik Willen sitzt. Ebenso wie der Gitarrist, es ist augenscheinlich die gleiche Person wie der Schlagzeuger, sein virtueller Zwillingsbruder, der an der Gitarre zupft während man synthetisches Klavier hört?
Ich frage bei den Experten für schräge Inszenierungen, bei Man-G, die mich als queere Bear-Group immer wieder fasziniert haben. Ihren letzten Song hatte ich tagelang im Ohr. Der hat zwar auch nicht viele Klicks, was aber durch die spezifische Ausrichtung auf eine kleine Zielgruppe erklärt werden kann. In dieser Zielgruppe kennt das Lied jeder, wie ich hier versichern möchte.
Es würde an ihnen vorbei gehen, bekam ich zur Antwort.
Das konnte doch nicht sein!
Auch von Dmitry Starosta, der mit seiner Künstleragentur zweifelsfrei für einen Experten gelten kann, bekam ich zur Antwort, es wäre unglaublich langweilig. Er könne es sich nicht länger als 30 Sekunden ansehen.
Ich schrieb zurück, es würde mir schon gefallen, worauf hin er antwortete: Тебе всё русское нравится без разбору. Dir gefällt wahllos alles Russische.
Das wieder um ist nicht ganz richtig.
Es gibt da zum Beispiel diesen Clip. Durch und durch russisch, kein Klischee wird ausgelassen, die Bärte sind ebenso ansprechend wie in dem Video von Olga.
Eigentlich müsste es mir gefallen, tut es aber nicht. Ich finde das sogar extrem doof. Das würde ich niemals in meinem Blog besprechen. Dass ich es jetzt hiermit doch getan habe, diesen Widerspruch fantasievoll aufzulösen, überlasse ich meinen Lesern.
Das Interessante an ästhetischen Urteilen, ist, dass man so wenig darüber diskutieren kann. Selbst dann, wenn man es tut, ändert sich wenig bei den Diskutanten, weshalb man über Geschmacksfragen so leicht in Streit geraten kann.
Allen für mich in pop-ästhetischen Fragen maßgeblichen Personen gefällt Olga Gorbatschewas Clip Sneg nicht. Ich kann ein bisschen verstehen warum. Ändern tut sich trotzdem nichts für mich. Ich finde das Ding super und schaue es mir jetzt gleich nochmal an.
Da muss ich mich der Mehrheit anschliessen – scheint mir ziemlich stereotyper Poptrancebrei zu sein. Da lobe ich mir doch das Meisterwerk an das mich der Titel Deines Eintrags erinnert hat – sollte es jemand noch nicht kennen, hier ist „Frau Gorbatschowa tanzt Bossanova“ von IFA Wartburg aus – you guessed it – Schweden:
PS Weiter so mit dem Blog, ich lese Deine Informationen über die russische Pop- und Allgemeinwelt sehr gerne und interessiert.